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So gefaellt es uns!

Heute haben wir an einem Tag so viel erlebt und gesehen, wie in der oestlichen Karibik in einem Monat. Naja, vielleicht ist das uebertrieben. Aber irgendwie gefaellt es uns hier ganz besonders gut, so dass wir vielleicht eine etwas rosa gefaerbte Brille aufhaben. Aber der Reihe nach. Los Testigos sind so klein, dass man nicht richtig einklarieren kann (einklarieren ist gleichbedeutend mit Einreiseformalitaeten fuer Schiff und Besatzung), sich aber bei Ankunft dennoch sofort bei der Guardacosta melden sollte. Da wir gestern Abend kurz vor Einbruch der Dunkelheit angekommen waren, haben wir uns kurz vorher noch per Funk gemeldet und angefragt, ob wir auch am Morgen erst vorbeischauen koennten. Das sei ok, wurde uns gesagt. So sind wir denn heute nach dem Fruehstueck und nachdem gewaschen und geputzt war mit dem Dinghi los zur Nachbarinsel Isla Iguana wo sich die Guardacosta befindet. Die Fahrt war lange, setzt doch zwischen den Inseln ein sehr starker Strom, der uns abbremste. Gleichzeitig mit uns kam am Steg ein Boot der Guardacosta an mit einer Frau an Bord, die eher keine der vielleicht 300 Einwohner der Inselgruppe zu sein schien. Der Junge Beamte hiess uns per Handschlag willkommen und half uns aus dem Beiboot. Im Gebaeude angekommen wurden wir in einen kleinen Raum gewiesen mit Tisch und Bank. Irgendwann kam ein Mann vorbei, der wie die Dame von vorhin nicht so ganz auf die Insel passte. Er fragte uns, ob wir Englisch spraechen und erklaerte uns dann, dass er sein Motorboot letzte Nacht auf einen Felsen gesetzt habe. Nun sinke es. Ein auf der Seekarte nicht eingezeichneter Fels sei ihm zum Verhaengnis geworden. Zum Glueck sei das Boot versichert. Der Junge Beamte vom Steg hatte mir das Boot noch gezeigt, aber dass es sinkt, hatte ich ‚dank‘ beschraenkter Spanischkenntnisse nicht mitbekommen. Spaeter kam dann ein anderer Uniformierter, der sich uns gegenueber an den Tisch setzte. Wir teilten ihm auch mit, dass wir hier seien, um uns zu melden. Das hat aber keine erkennbaren Handlungen zur Folge gehabt. Wir plauderten ein wenig mit ihm. Als wir dann nachfragten, ob es denn nun etwas zu tun gaebe wie z.B. Formulare ausfuellen, hat er das bejaht, und dann ging es auch los. Dann aber ploetzlich die Frage, ob wir einen Kaffee wollten, was wir natuerlich nicht ablehnten. Kaffee wurde gebracht und der Beamte fuellte das Formular, das in etwa all jenen entsprach, die wir auf jeder Insel hatten ausfuellen muessen, schoen sauber selber aus. Dann war alles erledigt und der Beamte wuenschte uns noch einen schoenen Aufenthalt. Danach gingen wir entlang der Haeuser und Huetten, welche den Strand saeumten. Ein ruhiges Fischerdorf, wo Schiffe gepflegt, Fischereimaterial repariert und sonst dies und das gemacht wird. Aus einer Huette drang laut Musik, nicht mehr Raeggae, sondern suedamerikanische Klaenge. Schoen. Spaeter fuhren wir dann mit dem Dinghi wieder auf die andere Seite des Kanals, wo neben dem sinkenden Motorschiff noch 4-5 Segelschiffe in einer ebenfalls netten Bucht vor idyllischem Sandstrand lagen. Wieder auf der September rief Elgard ploetzlich, ich solle mit dem Fotoapparat hochkommen, denn da gebe es einen Moebeltransport per Fischerboot. Tatsaechlich fuhr da ein Schiff vorbei, das mit Stuehlen und Sesseln vollbeladen war. Mir kam in den Sinn, dass wir in Afrika schon erlebt hatten, dass vor einem Fussballspiel massenhaft Stuehle ins Stadion bzw. zum Fussballplatz transportiert worden waren. So scherzte ich, dass dies vielleicht die Vorbereitungen fuer ein Fest oder einen Gottesdienst seien. Nun wollten wir aber los, um ein bisschen zu schnorcheln, was hier lohnend sein soll. Das war es dann auch. Man sah zwar nicht weit, weil das Wasser wie gestern erwaehnt stark mit Schwebeteilchen vom Orinoco-Fluss befrachtet ist (Der muendet zwar viele Kilometer entfernt im Meer, aber die Stroemung scheint das alles herzubringen). Dafuer haben wir erstmals eine intakte Unterwasserplanzenwelt gesehen und sehr viele Fische. Allerdings ist hier das Wasser etwas frischer als in der oestlichen Karibik. Daher wollten wir uns am Bilderbuchstrand etwas in den Sand legen und aufwaermen. Da naeherte sich uns schon langsam ein Mann, mit dem wir gleich ins Gespraech kamen. Julio, so hiess er fragte, ob wir Fisch wollten und forderte uns auf, mit ihm die paar Schritte ins die naechste Bucht (von wo wir losgetaucht waren) zu gehen. Das taten wir. Der Weg fuehrte uns durch die Wohn- und Schlafstaette von jemand anderem. Der hing gerade doesend in seiner Haengematte. Vorbei gings an Ziegen und Kakteen zum open-air-Lebensraum von Julio und seiner Familie. Und mittendrin einen Riesensau. Als wir fragten, wo die Familie denn gerade sei, antwortete er, beim sinkenden Schiff. Der Moebeltransport von vorhin hatte weder mit einem Fussballspiel noch mit einem Gottesdienst zu tun, sondern war die Beute, in der Fachsprache Bergelohn. Auf dem Gelaende fand sich denn auch bereits dies und das. Ein riesiger Sessel, Holztueren, Revierkarten, ein Toaster, ein DVD-Player, eine Bohrmaschine, eine Flasche Wein und weitere Stuehle und Baenke. Auch von anderen Schiffen, denn es komme immer wieder vor, dass hier Schiffe auf Grund laufen. Na, gut zu wissen. Dennoch ist es uns ein Raetsel, wie das Motorboot hat auf einen Felsen auflaufen koennen. Dass es sich da um Versicherungsbetrug handelt, scheint uns die plausibelste Erklaerung. Julio offeriert gebratenene Fisch, Maisbrot und Kaffee. Essen lehnten wir dankend ab, da wir gerade vom Mittagessen kamen, Kaffee nicht. Dann brachte uns Julio noch einen praechtigen Red Snapper. Von Geld will er nichts wissen. Allerdings koennten wir ihm etwas Rum vorbeibringen. Das haben wir dann auch gemacht, plus ein paar Zigaretten. Dann gabs noch eine Muschel als Aschenbecher obendrauf und ein paar Tipps zum Fischen. Morgen frueh um 7 solls gut sein. Das wird sicher probiert. Julios Fisch war uebrigens sehr lecker, das frisch gebackene Brot von Elgard und der Merlot aus Chile ebenfalls. Und dass es dazu – nachdem es tagsueber sehr freundlich war – wie aus Kuebeln regnet, passt irgendwie zu diesem ereignisreichen Tag. Ach ja, noch etwas: bevor wir ueberhaupt fruehstueckten, wurde Juan, so hatten wir unsere Pflegemoewe getauft, wieder in die Freiheit entlassen. Die paar Stunden Ruhe bei uns hatten ihn anscheinend wieder zu Kraeften kommen lassen. Auf alle Faelle konnte er wieder davonfliegen, nachdem er etwas Anschub erhalten hatte. Und in der Nacht war er recht produktiv. Es bedurfte einiger Aufwische, bis sein gesamtes Werk weggewischt war. Und nun wollen wir mal sehen, was das Referendum von Praesident Chavez zur Amtszeitverlaengerung gebracht hat. Das grosse Schiff der Guardacosta sei nur deswegen hier, meinte Julio. Seine Stimme duerfte Chavez auf jeden Fall nicht bekommen haben.

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Klaus Tischhauser
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