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Die September ist wieder unterwegs – Sacramento River

Trotz der vielen Abenteuer, die San Francisco bietet, hat es uns wieder aufs Wasser gezogen. Aus einem Gedanken am Abend des einen Tages wurde die Abfahrt am übernächste Morgen. Das Ziel: das Delta des Sacramento Rivers bis hoch nach Sacramento fahren und zurück auf kleineren Nebenarmen. Ein recht grosses Gebiet, dass wir erst gar nicht bewusst wahrgenommen hatten. Die Abfahrt wollten wir etwas an den Gezeiten ausrichten, was aber nicht so richtig klappte. Einerseits wäre der ideale Zeitpunkt sehr früh am Morgen gewesen. Andererseits wollten wir nochmals versuchen, mit der Visumsbehörde direkt telefonisch in Kontakt zu treten. Die ersten Versuche endeten immer mit einem Roboter. Unerfreulich und völlig ergebnislos.
Dann aber los bei totaler Windstille. Am Schluss kam doch noch etwas Wind auf, so dass wir unsere reparierte Vorstagaufhängung testen konnten (Spannung muss noch deutlich nachgebessert werden). Geankert haben wir noch in der San Francisco Bay bei McNears Beach am Eingang zur San Pablo-Bucht. Wir waren nicht die einzigen Segler, aber der Ort war suboptimal. Die Strömung drehte uns so, dass Wind und Welle seitlich auf uns drückten, eine ungemütliche erste Nacht war die Folge.
Erste Arbeiten standen auch schon wieder an: ein (neuer) Dieselfilter hatte ein klitzekleines Loch (!!), so dass unsere Bilge am Abend nicht mehr trocken, sondern etwas von Diesel benetzt war. Seltsamer Schaden, aber einfach behebbar.
Als wir Anker auf gingen war die Kette straff nach hinten gezogen, ein seltener Anblick. Mit der Kette kam sehr viel Schlick mit hoch und sorgte dafür, dass die Kette nicht mehr gut in der Ankerwinsch lief. Resultat war eine verkeilte Kette und die Ankerkette lief nur noch in eine Richtung, zum Glück hoch. Vermutetes Problem: Fussschalter undicht und korrodiert. Etwas für den Abend.
Wir fuhren früh los, auflaufendes Wasser war immer noch frühmorgens und so konnten wir mit etwas Schub rechnen. Da wir erstaunlich viel Wind hatten – bis zu 35 Knoten – wurde aus der erwarteten gemütlichen Flussfahrt eine wilde Rauschefahrt mit bis zu 9 Knoten über Grund – bis wir aus der Bucht in den Fluss einbogen. Da war der Wind wieder weg. Aber nicht für lange. Elgard reichte es gerade zum Kochen, dann ging es wieder weiter mit dem Starkwind, diesmal von vorne. Auch unter Motor war es eine anstrengende und ungemütliche Fahrt.
Ruhe kehrte vorerst erst ein, als der Fluss sich verzweigte und verengte und wir die Richtung stark ändern konnten.
Eine Besonderheit des Sacramento Rivers (und wohl auch anderer Flüsse in den USA) ist, dass man viele Brücken passiert, die auf Funk-Anruf sich heben, drehen oder sich nach oben klappen.
Im Winter sind die Öffnungszeiten aber etwas kürzer als im Sommer. Das führte zu eine beschleunigten Fahrt am Schluss des Tages, da wir die nächste Brücke unbedingt noch vor Betriebsschluss um 17 Uhr erreichen wollten. Denn im Abschnitt, in dem wir uns befanden, schien der Grund nicht besonders geeignet, um zu ankern (wir hatten es probiert). Das Mittagessen war immer noch nicht serviert, es wurde ein Snickers als Überbrückung gereicht, die Prioritäten lagen anders.

Schliesslich klappte das und wir legten uns gleich nach der Brücke von Walnut Grove an den Dorfsteg. Ein superruhiges Plätzchen und endlich auch Zeit zum vom Mittag- zum Nachtessen mutierten Essen. Es ist übrigens Thanksgiving.
Zu Fuss erreichten wir am nächsten Morgen den Ort Locke. Er ist die älteste Siedlung amerikanischer Chinesen, die beim Bau der Eisenbahn und später in der Landwirtschaft beschäftigt waren. Ein historischer, gut erhaltener Strassenzug wäre recht nett, wäre nicht wegen Covid und weil Winter ist alles zu.
In unmittelbarer Nähe eines der höchsten Bauwerke der Welt: ein mehr als 600 Meter hoher UKW- und TV-Sendemast. Die Strecke ist also mit Highlights gespickt. Noch eins gefällig: ohne es wirklich zu sehen, fahren wir durch riesige Plantagen von diversen Früchten und Gemüsen. So auch durch das anscheinend grösste Spargelanbaugebiet der Welt. Für uns liegt das aber alles jenseits der Böschung, die ein regelrechter Damm ist, auch von den Chinesen mitgebaut. Aber schön bewachsen mit herbstlich eingefärbten Bäumen, an denen wir an Deck in der Sonne sitzend und Musik hörend, die Fernsteuerung des Autopiloten in der Hand, langsam vorbeifahren.
Manchmal ein Highlight aus der Tierwelt: zweimal beobachten wir einen Seelöwen, der vermutlich einen Lachs (die Laichen hier im Fluss) wild durch die Luft schleudert, wohl um ihn zu zerkleinern.
Gestern war dann aber wirklich Endstation bei einer Brücke, die – entgegen unseren Unterlagen – im Winter immer eine Vorankündigung von mind. 4 Stunden benötigt. So werfen wir den Anker mitten im Fluss vor der Brücke und bestellen die Öffnung auf morgens um 7 Uhr. Endlich wird auch die Ankerwinsch gepflegt. Schalter war ok, aber ein Kontakt im Innern des Schiffes wohl korrodiert. Nun wieder alles ok.
Nachts fällt das Thermometer bis auf den Gefrierpunkt. Dank unserer Heizung glühen die Radiatoren und auch die heisse Dusche fehlt nicht. Am Morgen – wegen der Brücke waren wir wieder früh dran – lag noch Reif auf dem Boot, der Fluss dampfte in den ersten Sonnenstrahlen. Nach Durchfahrt der Brücke dann gleich Frühstück, aber noch im Schutz des rundum geschlossenen Cockpitzeltes.
Gegen 10 Uhr heute Morgen dann Ankunft an der Tower Bridge von Sacramento. Ein Durchkommen gibt es vorerst nicht, man laufe auf Notstrom. Aber nach einer guten halben Stunde wird uns Einlass in die Hauptstadt Kaliforniens gewährt; wir legen uns ans Pier der historischen Waterfront, an der sich schon viele Touristen tummeln. Wir auch bald!

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Klaus Tischhauser

3 Antworten

  1. ‚…es wurde ein Snickers als Überbrückung gereicht, die Prioritäten lagen anders.‘: …namens Wind und Gezeiten! – Danke fuer den ausfuehrlichen Bericht.

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